Vor einigen Tagen saß ich wieder einmal über einem dieser typischen Neukundenregistrierungsformulare. Name und Ort waren einfach. Aber was fülle ich bei Beruf ein? Ich gehe einer regelmäßigen und sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nach. Ist dies dann automatisch mein Beruf? Meine Kollegen kennen mich als den Herrn U. Aber für das, was ich in der Firma tue, gibt es keine Ausbildung. Wird mein Türschild dann automatisch zur Berufsbezeichnung? Außerdem frage ich mich, was die Berufsbezeichnung überhaupt in diesem Formular verloren hat. Bekomme ich mit den beliebtesten Berufen des Monats einen Sondertarif? Ich beschließe, mich nicht weiter mit der Frage zu beschäftigen, wie das, wofür mein Arbeitgeber mir Geld gibt, genau zu benennen ist. Ich trage ein: „Beruf – Autor“.
Dem Formular ist das egal, aber in meinem Kopf stürmen sofort die Gedanken. Du kannst doch nicht einfach behaupten, ein Autor zu sein? Wer gibt Dir das Recht, Dir einen neuen Beruf zuzulegen?
Ist das so? Brauche ich eine Genehmigung, um mich als Autor zu bezeichnen? Wenn Ja, wessen Genehmigung soll das sein? Außer von den oberschlauen Gedanken in meinem eigenen Kopf? Ja, ich werde (bisher) nicht für meine Tätigkeit als Autor bezahlt. Ist etwas erst dann ein Beruf, wenn ich Geld dafür erhalte? Wie ist das bei anderen Menschen, die etwas tun, ohne davon zu leben.
- Meinen verrenteten Vater würde ich ohne Zögern als Gärtner und Selbstversorger bezeichnen. Oder muss er jetzt zwangsweise sein Leben lang als Beruf „Rentner“eintragen? Rentner hat er doch noch weniger gelernt als ich den Beruf Autor!
- Die Nachbarin, die richtig tolle Bilder malt, bezeichne ich als Künstlerin, auch wenn sie in einem Kindergarten angestellt ist.
- Ein Bekannter, der Gitarre spielt, mit einer Band auftritt und eigene CDs herausgibt ist, für mich ein Musiker, obwohl er einen anderen Beruf hat, um seine Familie zu ernähren.
Und ich? Gibt es Belege dafür, dass ich ein Autor bin? Oder habe ich mir das nur ausgedacht und ich könnte genausogut behaupten, Busfahrer zu sein. Ein Autor ist doch eine Person, die Wörter erfindet und auf Papier festhält. Mit dieser sehr grundlegenden Definition überlege ich, welche Wörter als Erster erfunden und dann an ihnen festgehalten habe, um sie auf Papier zu bringen:
- Schattenland – Geschichten aus Baden: Handgebundenes Einzelstück, Bruchsal 1995
- Kristallstrukturanalyse an Alkali- und Erdalkali-Cyclodextrinatoupraten(II) – ein Beitrag zum Verständnis von Oligosaccharid-Metall-Komplexen in wässrig-alkalischer Lösung. Abschlussarbeit des Chemiestudiums; Verfügbar in der Universitätsbibliothek der TH Karlsruhe
- Der Westen lohnt sich – Reisegedanken aus Färör, Orkney und Shetland: Handgebundenes Einzelstück, Gersfeld 2003
- Qualitätsmanagement-Handbuch der Firma ##, Erste Auflage 2007, 50 Stück. Dritte Auflage 2020.
- Uhles Gartengedanken: Gartenblog. 400 Beiträge mit insgesamt 166000 Wörtern bzw. 700 Taschenbuchseiten, 2015 – 2020
Ich bin überrascht, wieviel da zusammenkommt. So langsam glaube ich mir, dass ich ein Autor bin. Ich überlege, wo ich ein weiteres Neukundenregistrierungsformular herbekommen kann, um meinen neuen Beruf erneut ausprobieren zu können!