Die Klassiker des Nature Writing

Sobald ich eine neue Internet-Seite oder einen vielversprechenden Blog über Nature Writing entdecke, gibt es dort weitere „Klassiker“, von denen ich noch nie gehört habe und alle mir bisher bekannten Klassiker sind wiederum dort unbekannt oder zumindest mit keinem Wort erwähnenswert. Mit dem Stichwort Klassiker bin ich daher vorsichtig geworden. Für jede Facette der Naturliteratur und jeden Experten gibt es jeweils eigene Klassiker. Oft sind diese Klassiker allerdings nur in der Originalsprache erhältlich oder das eine Exemplar, das vom Betreiber dieser Internet-Seite erworben wurde, ist alles, was im letzten Jahr verkauft wurde. Sicher, Klassiker sind eben nicht automatisch auch Bestseller. Aber Bücher, die so gar niemand kennt, sind vielleicht weder das eine noch das andere.

Klassiker, die in jeder Liste stehen

Henry David Thoreau (*1817) – Der Alltime-Klassiker des Nature Writings: Er schreibt viel darüber, wie unverständig seine Zeitgenossen sind und wie wertvoll die antiken Philosophen in der Originalsprache sind. Einige wenige Zitate finden sich als Perlen in viel, viel Geschreibsel. Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob es ein Naturbuch oder ein philosophisches Werk ist.
Ralph Waldo Emerson (*1803) – Er wird als einer der Erfinder des Naturschutzes gepriesen: Es geht ihm allerdings ausschließlich um den Nutzen der Natur. Sie zu schützen kommt in seinem wegweisenden Werk „Natur“ nicht vor. Insgesamt auch dies eher ein philosophisches Werk.
John Muir (*1838) – Er wird als Mitbegründer des Yosemite-Naturparkes gefeiert: Seine Buchtitel lassen auf Beschreibungen seiner langen Wanderungen hoffen. Bei einem näheren Blick wird deutlich, dass er aktiv an der Vertreibung der letzten Ureinwohner im Yosemite mitgewirkt hat. Damit der Park schön leer und ursprünglich ist und die Touristen sich dort wohl fühlen.
Gilbert White (*1720) – Der Erfinder des Nature Writings in Großbritannien. Seine detaillierten Beschreibungen von Vögeln beruhen auch darauf, dass er sie geschossen hat, um sie in Ruhe beschreiben zu können.

Klassiker, von denen ich gerade einmal den Titel kenne

William Bartram: Travels: Through North and South Carolina, Georgia, East and West Florida (USA, 1791)
Bartram’s Travels ist der Kurztitel des Buches des Naturforschers William Bartram, das seine Reisen in den amerikanischen Süden und Begegnungen mit Indianern zwischen 1773 und 1777 beschreibt. [Wikipedia]
Alphonse Karr: Voyage auteur de mon jardin (Frankreich, 1845)
Ein Garten genügt. Ein entzückender Ort des Zaubers und des Spektakels im Alltäglichen und Kleinsten. Warum in die Ferne reisen, wenn sich in der nächsten Nähe eine ganze Welt auftut? In den 59 Briefen seines Romans „Reise um meinen Garten“ nimmt uns Alphonse Karr mit auf eine Reise, die nicht weiter führt als in den eigenen Garten. [die-andere-bibliothek]
William Henry Hudson: ‎Idle Days in Patagonia (Argentinien, 1893)
Buch erzählt wie sich Hudson aus Versehen mit dem Revolver ins Knie schoss und so über die Vögel, das Leben und den ganzen Rest für einmal aus liegender Perspektive räsonnieren musste. [Perlentaucher]

Zeitgenössische Texte – irgendwo zwischen Geheimtipp und Nonplusultra

Peter Matthiesen: The Snow Leopard (USA, 1978) / Auf der Spur des Schneeleoparden
Eine »Pilgerschaft des Herzens«, die ihn die Grenzen des eigenen Ichs erfahren lässt. Unter extremen äußerlichen Bedingungen erlebt Mattiesen eine Welt, in der sich dramatische Naturgewalten und die Mystik der tibetischen Mönche zu einer Realität verbinden, in welcher der zurückgelassene Alltag unwirklich und das Unwirkliche vertraut wird. [amazon]
Helen Macdonald: H is for Hawk (UK, 2015) / H wie Habicht
Helen Macdonald ersteht ein Habichtweibchen, das sie auf den Namen Mabel tauft, und begibt sich auf die abenteuerliche Reise, das wildeste aller wilden Tiere zu zähmen. Ein Buch über die Erinnerung, über Natur und Freiheit – und über das Glück, sich einer großen Aufgabe von ganzem Herzen zu widmen. [Perlentaucher]
Robin Wall Kimmerer: Braiding Sweetgrass: Indigenous Wisdom, Scientific Knowledge and the Teachings of Plants Taschenbuch (USA 2015) / Geflochtenes Süßgras
Unser Verhältnis zur Natur muss sich grundlegend ändern. Wie, das erklärt die Biologin Robin Wall Kimmerer in ihrer Essaysammlung „Geflochtenes Süßgras“. Ein kluges wie berührendes Buch. [DeutschlandfunkKultur]
Charlotte McConaghy: Migrations (AUS, 2020) / Zugvögel
Franny hat ihr ganzes Leben am Meer verbracht, die wilden Strömungen und gefiederten Gefährten den Menschen vorgezogen. Als die Vögel zu verschwinden beginnen, beschließt die Ornithologin den letzten Küstenseeschwalben zu folgen. Auf einem der letzten Fischerboote macht sie sich auf den Weg in die Antarktis. [fischerverlage]
Lucy F. Jones: Losing Eden: Our Fundamental Need for the Natural World and Its Ability to Heal Body and Soul (UK, 2021) / Die Wurzeln des Glücks: Wie die Natur unsere Psyche schützt.
Wir können nur das schützen, was wir auch kennen. Ein populär-wissenschaftliches Buch, das sich mit den Themen Zukunft, Depression und Natur beschäftigt.
Steinunn Sigurdardottir: H E I Ð A – fjalldalabóndinn (IS, 2016) / Heidas Traum
Eine isländische Schaffarmerin kämpft gegen ein Wasserkraftwerk.

Meine eigenen Klassiker

Nan Shepherd: The living mountain (UK, 1977) / Der lebende Berg
Der lebende Berg erzählt davon, wie Nan Shepherd im Laufe der Zeit lernte, ziellos in die Berge zu gehen, bloß um Zeit mit dem Berg zu verbringen, so wie man einen Freund besucht, zu keinem anderen Zweck, als Zeit mit ihm zu verbringen. [Vorwort von Robert Macfarlane]
Emily Carr: Klee Wyck (CAN, 1941) / Klee Wyck – Die, die lacht
Emily Carr war eine kanadische Malerin. Sie schreibt über ihre Begegnungen mit den First Nations und deren verlorengehenden Riten auf Haida Gwaii und Vancuver Island. Das „offizielle“ Thema des Buches sind ihre Gemälde der Totempfähle, doch in den Texten steckt so viel Naturbeschreibung, dass „Nature Writing aus British Kolumbien“ den Inhalt ebensogut trifft.
Ilga Eger: Ein Jahr im Garten (D, 2007)
Eine ganz andere Art der Natur zu begegnen und über sie zu schreiben. Ilga Eger ist eine, die mit der Natur in direkte Zusammenarbeit geht. Da ist nicht nur das betrachten, wahrnehmen und philosophieren sondern das Handeln als Thema, das sie von den anderen unterscheidet.

(to be continued…)


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