
Alfred Wainwright wuchs in wenig wohlhabenden Verhältnissen im nordenglischen Blackburn auf. Die Situation war nicht wirklich ärmlich, aber Wainwright hatte schon früh den Gedanken „Könnte ich doch bloß etwas Geld verdienen und die Mutter unterstützen“.
Schon als Kind hatte Wainwright Freude an Listen und ein Talent zum Zeichnen. Im Gegensatz zu seinen Schulkameraden ging er nicht in eine der zahllosen Fabriken, aus denen seine Heimatstadt Blackburn bestand, sondern verließ mit 13 die Schule und fand eine Anstellung als Bürojunge.
Kindheit und Jugend sind im Buch „Wainwright – The man who loved the Lakes“ [BBC Books, 2007] sehr gut dargestellt. Leider gibt es jedoch keines der Bücher über Wainwright in deutscher Übersetzung.
Im Alter von 23 machte er zusammen mit seinem Cousin Eric Beardsall eine erste Reise: Eine Wanderung durch den 100 Kilometer entfernten Lake District. Er war von dieser Landschaft tief beeindruckt. Während sein Cousin nach dem Anstieg auf den Orest Head erschöpft einschlief, saß Wainwright nur da und blickte fast ehrfürchtig auf diese Landschaft. Danach macht er immer wieder Ausflüge in den Lake District. Meist ist er dabei alleine, später nimmt er gelegentlich seinen Sohn mit.
12 Jahre später – Wainwright war inzwischen verheiratet und arbeitete in der Finanzverwaltung von Kendal – begann Wainwright die Notizen zu seinen zahlreichen Wanderungen systematisch zu ordnen und als Buch zu veröffentlichen. Er will auf diese Weise seine Notizen und Routen des Lake Districts anderen Wanderern zugänglich machen.
Von Anfang an plant Wainwright eine Beschreibung aller 214 Gipfel. Ihm ist dabei klar, dass es 13 Jahre dauern wird, bis er mit seiner Technik dieses Projekt beendet haben wird. Er gestaltet jeden Tag eine einzige Buchseite und erstellt dabei alles von Hand: Den Text, die Zeichnungen, die nötigen Legenden, einfach alles. Dennoch wagt er dieses Projekt zu beginnen. Erst als der erste Band vollständig fertig ist, beschäftigt er sich zum ersten Mal mit der Frage, wie ein Buch gedruckt wird.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten beim Verkauf seines Buches (durch einen Streik bei der Bahn fehlten die Sommertouristen im Lake District) werden die sieben Bände mit Routenbeschreibungen bald zu einem Erfolg. Selbst heute, 70 Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes gelten sie noch immer als der Standard für Wanderungen im Lake District.
Ich finde es sehr spannend und lehrreich, wie Menschen, die später Bekanntheit erreicht haben, auf ihrem Weg mit den Möglichkeiten ihrer Zeit und ihres Lebens umgegangen sind. In seiner Kindheit war die Erkundung der Stadtmitte von Blackburn für Alfred Wainwright schon etwas Außergewöhnliches. Obwohl er in der Schule gute Noten hatte, verließ er die Schule und ergriff die Möglichkeit als Bürojunge zu arbeiten, um den üblichen Fabrikarbeiter-Lebensläufen aller seiner Schulkameraden zu entkommen. In den letzten Jahren wird die Frage von Bildungsmöglichkeiten und Lebenschancen außerhalb der eigenen Herkunft wieder sehr intensiv diskutiert. Alfred Wainwright ist für mich ein Beispiel für Menschen, die ohne unterstützende, wohlhabende, gebildete Familie ein besonderes Leben geführt haben.

Wainwright Prize
Seit 2014 gibt es den Wainwright-Preis für Naturbücher. Der Preis wurde von der Wainwright Gesellschaft und dem National Trust ins Leben gerufen. Die Preisgelder stiften verschiedene Unternehmen der Region wie eine Brauerei oder eine Papierfabrik. Auch in Deutschland bekannte Gewinner des Wainwright Preises sind: James Rebanks, Dara McAnulty, Robert Macfarlane, John-Lewis Stempel.
Ich habe diese Autoren auf sehr unterschiedliche Weise kennengelernt und bin überrascht sie nun gemeinsam auf der Liste der Preisträger zu finden. Es lohnt sich also, die britischen Preise für Naturbücher zu beobachten und das zu lesen, was dort auf den Auswahllisten steht.